Krise, Kommunikation und Verwaltung in sieben Punkten

Das Führungsforum Innovative Verwaltung (FIV) veranstaltete einen Workshop Krisenkommunikation. Am 24. Feber 2016 trafen sich in Wien Sektionschefs, Dienststellenleiter, Landesamts- und Magistratsdirektoren, Bezirkshauptleute und Bürgermeister. Zwar gab es für das Treffen keinen aktuellen Anlass, doch hat das FIV richtig erkannt, dass die beste Krisenkommunikation in einer professionellen Vorbereitung besteht.

1. Warum Krisenkommunikation? Die Antwort gibt ein dramatisches Beispiel: „Acht Jahre in drei Tagen verspielt!“ So lautete 2004 die Bilanz des spanischen Ministerpräsidenten Jose Maria Aznar. Bis zum 11. März galt seine Regierung als populär. Am darauf folgenden Wochenende, unmittelbar nach den Terroranschlägen in Madrid, wurde sie abgewählt. Aznar lieferte ein Negativbeispiel der Kommunikation: Anfangs wurde nicht reagiert, danach gelogen – schuld wäre die ETA anstatt Al Kaida – und zu schlechter Letzt wurde vieles vertuscht.

2. War das ein Versagen der Politik? Nein. Muss sich die öffentliche Verwaltung um Krisenkommunikation kümmern? Ja. Vergessen wird nämlich, dass Aznar & Co nicht als Parteipolitiker auftraten, sondern in ihrer Regierungsfunktion. Die Regierung ist nach der Staatslehre das oberste Verwaltungsorgan. In Krisen muss die Verwaltung die klare Linie verfolgen, niemals eine emotionalisierte Öffentlichkeit mit Fehlinformationen zu versorgen („never lie!“). Zugleich muss sie Integrations- und Identifikationsfaktor sowie Orientierungspunkt sein, damit die Bevölkerung mit ihrer Angst nicht alleine bleibt. Eben jene Punkte, die eine positive Krisenkommunikation ausmachen, wurden nach einer Amokfahrt seitens der Stadt Graz durch einen gemeinsamen Trauerprozess richtig gemacht. Betreibt hingegen der Verwaltungsapparat – vom Minister bis zum kleinsten Beamten – in der Krise eine zeitverzögerte, verzerrte und tendenziöse Kommunikationspolitik, sind die Folgen katastrophal.
In Österreich gab es bisher keinen vergleichbaren Terroranschlag. Aber es gibt eine Reihe von Themen, die eine Krisenkommunikation der Verwaltung erforderlich machen. Beispiele dafür sind das allgegenwärtige Flüchtlingsthema, welches Sicherheitsängste und soziale Ängste auslöst, Naturkatastrophen und Umweltzerstörung, Ausfälle der Versorgung bzw. Infrastruktur von Verkehr bis Energie, Grippewellen und andere Gesundheitsbedrohungen. Auch fachliche Fehler und „Skandale“ beim Personal erfordern mitunter eine Krisenkommunikation der Verwaltung.
Die Workshopteilnehmer lieferten für die Erfordernis einer Krisenkommunikation zahlreiche Beispiele: Von der Hypo Alpe Adria mit den Landeshaftungen und der Freisetzung von „HCB“ (Hexachlorbenzol) im Kärntner Görtschitztal bis hin zum erwähnten Amokfahrer in der Grazer Innenstadt.

3. Was sind mögliche Fehler in solchen Fällen? Verspätete und/oder unvollständige Information führen zu Gerüchten, Spekulationen, Missverständnissen und damit zu Verunsicherung. Ausschließlich reaktive Medienkontakte anstelle von regelmäßiger und geplanter Öffentlichkeitsarbeit bedingen einen Vertrauensverlust der Verwaltung. Jeder Mangel an kommunikativer Kompetenz hat eine Hinwendung zu weiteren Informationsquellen zur Folge, so unseriös oder bösartig diese auch sein mögen. Und wer etwas verheimlicht, der wird ohnedies nicht mehr akzeptiert.

4. Was ist also Krisenkommunikation? Sie umfasst alle Aktivitäten, die in Zusammenhang mit einem unerwarteten und relevanten Störfall von einer Verwaltungsorganisation durchgeführt werden. Dadurch sollen negative Konsequenzen wie Vertrauensverlust oder Imageeinbußen bei Krisen und Konflikten verhindert oder zumindest begrenzt werden. Die öffentliche Verwaltung muss noch stärker als Unternehmen auf krisenhafte Entwicklungen und auf das Kommunikationsmanagement in derartigen Fällen vorbereitet sein. Denn die Krisen betreffen oft die gesamte Bevölkerung, während eine Firma das Krisenthema in der Regel auf kleinere Zielgruppen – die Käufer eines Produktes, die Nachbarschaft einer Firma, die Fachöffentlichkeit einer Branche usw. – konzentrieren und damit eingrenzen kann.

5. Wie macht man nun Krisenkommunikation? Der wichtigste Aspekt ist die richtige Vorbereitung, um in der Folge eine Checkliste abarbeiten zu können:

  • Die Bestandaufnahme beantwortet einfache Fragen: Was ist passiert? Wie relevant ist der Anlass? Was sind die Folgen und welche treten schlimmstenfalls ein? Was ist über die Ursachen bekannt? Was ist bereits „öffentlich“ – in der Verwaltung selbst und in der Presse bis hin zu Social Media?
  • Es folgt die Information aller handelnden Personen. Das geht nur mit einem vorbereiteten Krisenkommunikationshandbuch. Ob Führungsebene oder Rechtsabteilung – die Liste der Mitglieder eines Krisenstabs muss vorher definiert werden. Ebenfalls erforderlich sind vorläufige Aufstellungen der vom jeweiligen Krisenfall betroffenen Personen und Einrichtungen.
  • Die Geschwindigkeit ist entscheidend! Statt „sofort“ empfiehlt sich ein Kurzüberblick. Dennoch ist die Erstmeldung über den Krisenfall schnellstmöglich zu kommunizieren (am besten innerhalb der ersten Stunde). Neue Informationen sind ohne Verzögerung weiterzugeben. Eine allfällige Pressekonferenz hat am besten innerhalb der ersten 24 Stunden stattzufinden.
  • Im einzuberufenden Krisenstab analysieren Vertreter der Leitung bis hin zum Minister, Pressesprecher, Juristen, IT-Verantwortlichen und Fachabteilungen bzw. Projektverantwortlichen die Lage und beraten über das weitere Vorgehen.
  • Schlusspunkt der Analyse sollte die Festlegung einer „One Voice Policy“ sein.: Wer kommuniziert intern und extern was und in welcher Form wird dies getan: Persönlich, per Brief oder E-mail, in einer Versammlung, in Form von Interviews und Pressekonferenzen. Nur in schweren Krisenzeiten übernimmt ein Chef die Information. Grundsätzlich kann jeder in der Verwaltung Krisenkommunikator sein.
  • Dabei macht „der Ton die Musik“. Es geht um die Sammlung von Sachargumenten. Umgekehrt ist es wichtig, Emotionen bei Betroffenen und in den Medien zu respektieren. Kommunizieren, das bedeutet, sich in sein Gegenüber hineinzuversetzen und zu versuchen, den anderen und seine Sichtweise zu verstehen, um im Endeffekt einfühlsam zu sein.
  • Unabhängig von der Schuldfrage zählt die laufende (Mit-)Arbeit an der Aufklärung. Oft bedarf es eines sofortigen Angebots oder Ersuchens an andere Behörden, an Sicherheitskräfte oder an „Opfer“ einer Kooperation bzw. der Unterstützung, um zur Bekämpfung der Krise beizutragen.
  • Nach der Krise ist vor der Krise. Analyse und Feedback dürfen nie vernachlässigt werden, eine Überarbeitung der Krisenkommunikationspläne ist fast immer notwendig.

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6. Kann Krisenkommunikation trotzdem schief gehen? Ja. Es gibt viele nie beantwortbare Fragen. Extrem nachteilige Dialoge wären beispielsweise: Was wissen Sie über die Ursachen? Auch wir können uns das alles nicht erklären. Wer ist dafür verantwortlich? Fragen Sie mich etwas Leichteres. Ist dieses oder jenes passiert? Wir sind selbst überrascht worden. Besteht Gefahr für Menschen? Ich habe keine Ahnung. Konnte man das nicht verhindern? Können Sie menschliches Versagen ausschließen? Waren die Sicherheitsstandards gut genug? Ja oder nein. Bei den letzten drei Fragen sind beide Antworten ungeeignet. Antwortmöglichkeiten auf die zitierten Fragen sind: Unser Krisenstab ist bereits zusammengetreten, die Experten leiten die nötigen Maßnahmen ein, und genau das wird gerade geprüft. Um in diesen heiklen Momenten die richtigen Worte zu wählen, sind Medientrainings nahezu unerlässlich.

7. Was entscheidet über eine gute Krisenkommunikation? Neben der Vorbereitung ist es die richtige Strategie. Wortgewandtheit hilft, bedeutender ist freilich ein Botschaftendreieck, sich a) zur Verantwortung zu bekennen, b) Offenheit und Mitgefühl zu signalisieren sowie c) Kompetenz und Informationsbereitschaft zu zeigen. Die genaue Wahl der Worte ist anlassabhängig, doch jede Aussage hat in die Eckpunkte des Dreiecks zu passen bzw. ist gedanklich daraufhin zu prüfen. So banal es klingt: Am besten wird das Dreieck über den Schreibtisch gehängt oder auf dem Handy gespeichert. Ein Blick darauf genügt, um sich zu disziplinieren.

botschaftendreieck

Verwaltungsbedienstete sind übrigens in der Krisenkommunikation viel geeigneter als Politiker. Einerseits sind sie im Fachgebiet des Anlassfalles wirkliche Spezialisten, während Regierungsmitglieder zwangsläufig Generalisten sind. Andererseits haben Politiker leider ein derart schlechtes Image, so dass sie im Krisenfall nicht auf einen Vertrauensvorschuss hoffen dürfen. Beamte als Experten genießen einen solchen.