Gemeinsam mit der Bundespensionskasse AG lud das Führungsforum Innovative Verwaltung in den top modernen GÖD-Saal im Herzen Wiens im 1. Bezirk. Das Thema des Abends diesmal: unsere Datenwelt, wie mit ihr umgehen und wie können/sollen wir daraus brauchbare Informationen generieren?
Dazu gab der bekannte Physiker, Komplexitätsforscher und Präsident des Complexity Science Hub Vienna, Univ.-Prof. Stefan Thurner, einen spannenden Einblick in die Welt komplexer Berechnungsmodelle. Gleich zu Beginn stellte er klar, dass Fortschritt und Produktivitätssteigerung nur über Digitalisierung funktionieren werden. Diese braucht Daten, und zwar ALLE Daten.
In den USA sind diese Daten sowohl in Tech Companies alsauch in öffentlichen Institutionen gelagert; bei uns in Österreich hingegen nur in öffentlichen Institutionen. Dies hat zur Folge, dass unsere Daten in „Silos“ streng gehortet und von den Eigentümern gehütet werden wie Schätze. Worin liegt dann das Problem? Separat gehortet haben Daten kaum einen Nutzen, denn mangels Verknüpfbarkeit können Daten kaum ausgewertet und somit nur schwer zu Analyse- und Planungszwecken genutzt werden.
So wäre in der Wirtschaft unseres Landes die vollständige Abbildung von Lieferketten ein echter Gamechanger; in Österreich wird bisher nur die Lebensmittelversorgung auf diese Weise (durch Netzwerke) abgebildet, wie Thurner eindrucksvoll darstellte.
Ein weiteres wichtiges Beispiel für das österreichische Dilemma sind die Gesundheitsdaten. Würde man Krankheitsverläufe/-pfade und damit zusammenhängend die Ärzteflüsse erheben, könnte man Krankheitscluster abbilden, die Versorgungskapazität und somit die Resilienz des Gesundheitssystems weit besser vorhersagen. Dies war hierzulande nur in einem Pionierprojekt in den Jahren 2006-2007 möglich.
In Nordeuropa, wo die Mentalität offenbar eine andere ist, funktioniert die Verknüpfung der Daten jetzt schon deutlich besser. So wurde beispielsweise in Dänemark die KI mit pseudonymisierten Gesundheits- und Sozialdaten von 10 Mio. Dänen „gefüttert“ und gefragt, welche Individuen, die imlaufenden Jahr 45 Jahre alt sind, im folgenden Jahr sterben würden. Die Trefferquote betrug beeindruckende 89% – wesentlich mehr als die Sterbetafeln, die in Österreich zum Einsatz kommen!
Im Anschluss an diesen spannenden Vortrag diskutierte Stefan Thurner mit Dietmar Schuster, Vorstandsmitglied der Bundespensionskasse AG, sowie mit BKA-Sektionschef Wolfgang Ebner, seines Zeichens Chief Digital Officer des Bundes. Diese hochrangige Podiumsdiskussion wurde charmant und hochprofessionell von Verena Sonnleitner moderiert, der neuen stv. Landesamtsdirektorin des Landes NÖ. In dieser Gesprächsrunde wurde weiter auf das Dilemma„Datensicherheit gewährleisten“ versus „Daten zum Wohle aller verknüpfen und nutzen können“ eingegangen.
Grundsätzlich ist die Datensicherheit/Verschlüsselung das höchste Gut in der Verwaltung, gut geschützt durch die EU-Datenschutz-Grundverordnung. Wolfgang Ebner bestätigte, dass die Nutzbarmachung der Daten eine große Herausforderung darstelle; mit der Big Data Technologie habe ein disruptives Zeitalter in der Digitalisierung begonnen. Außerdem werde immer mehr auf Cloud-Technologie gesetzt;bald könnte es keine alternativen Speicherorte mehr geben und, ob bzw. wie dies mit unseren Werten und Regeln vereinbar sei, würde man erst sehen. Dietmar Schuster erläuterte drei wesentliche Bereiche der Bundespensionskassebei der Anwendung von Daten: Liquiditätsmanagement, Risikomanagement und Veranlagung. Gerade in der Veranlagung seien die meisten Daten vorhanden, aber umso schwerer sei es, die richtigen Daten herauszufiltern. Hier gibt es also enormes Potenzial.
Wie in der Diskussion festgehalten wurde, ist gut vorstellbar, welch enormer Nutzen – gerade in der Gesundheitsforschung und Bedarfsplanung – durch die KI-gestützte Analyse von Gesundheitsdaten erzielt werden könnte. Leider wurde die damalige Empfehlung des Obersten Sanitätsrates für eine verstärkte Datennutzung in den 15a-Verhandlungen zwischen Bund und Ländern nicht umgesetzt und hat bis heute keinen Niederschlag im Gesetz gefunden, bedauerte Thurner.
Nach einer intensiven Diskussion bekräftigte Stefan Thurner zum Abschluss einmal mehr, dass Digitalisierung im gesicherten – also jeweils abgesicherten, aber nicht verknüpften – Bereich wenig bringen würde! Was viele missverstehen: würde man Daten-Verknüpfung zulassen, so würden die Daten trotzdem an verschiedenen Orten gesichert gespeichert bleiben. Der wahre Wert der Daten liegt in deren Verknüpfung, nicht in der gemeinsamen Hortung, stellte auch Ebner klar.
Nach mehreren Fragerunden aus dem interessierten Publikum fand der spannende Abend seinen Ausklang in zahlreichen angeregten Gesprächen bei Speis und Trank.