Eine Sonderführung durch das Wien Museum mit Begrüßung durch den Direktor selber – diese Chance nutzten zahlreiche FIV- Mitglieder unmittelbar vor dem Clubabend. Die Führung, unter dem Titel „Wien wird Metropole“, gab spannende Einblicke in das Wien der letzten Jahrhunderte, mit etlichen Anekdoten und teilweise unglaublichen Geschichten.
Im Anschluss daran trafen sich alle zum „Hauptact“ in der RLB OÖ, die ihre exklusive Location „Oberösterreich-Haus Wien“ (gegenüber der Albertina), dankenswerterweise wieder für unseren Clubabend zur Verfügung stellte. Nachdem einer der Hausherren, Johannes Seiringer, sowie FIV-Präsident Werner Trock, begrüßt hatten, übernahm Ursula Zechner, Geschäftsführerin der ÖBB-Produktion GmbH und FIV-Präsidiumsmitglied, das mitreißende Interview mit dem künstlerisch-wissenschaftlichen Direktor des Wien Museums.
Matti Bunzl erläuterte unterhaltsam, was das Besondere an „seinem“ Museum ist: Ursprünglich in den 1880er Jahren gegründet, war das Wien Museum im Wiener Rathaus angesiedelt und als Gegenstück zu den Habsburgersammlungen gedacht. Es war die Zeit, in der auch andere europäische Städte städtische Museen für die Bevölkerung eröffneten.
Bei der Wiedereröffnung des Wien Museums Ende 2023standen bei dem Neubau nicht die Kulturexponate im Vordergrund der neuen Strategie, sondern vor allem die Teilhabe/die Partizipation der Menschen. Das neue Museum sollte – und ist! – ein lebendiger Ort für die Wiener Bevölkerung werden.
Auf den von Ursula Zechner angesprochenen spannenden architektonischen Aspekt des neuen Museums ging Bunzl gerne ein: das alte Gebäude am Karlsplatz, das Ende der 50er Jahre realisiert worden war, war auf Grund der vom Wienfluss ausgehenden Überschwemmungsgefahr auf Pfählen errichtet worden. Diese Tatsache erwies sich als große Herausforderung im Hinblick auf das neu zu realisierende, höhere Gebäude. Unter mehr als 240 Entwürfen, fand man eines, das ein separates Gebäude auf Stelzen vorsah, welches im ehemaligen Innenhof mit Stahlbetonpfeilern verankert werden sollte – eine architektonische Besonderheit und statische Meisterleistung,wie es sie weltweit nur selten gibt, und Direktor Bunzl noch immer zum Staunen bringt.
Im Wien Museum werden 15 Sonderausstellungen im Jahr gezeigt, neben der kostenlosen Dauerausstellung, die ein besonderes Goodie für Wiener*innen und Touristen darstellt.
Der Beitrag zum heurigen Erinnerungsjahr (70 Jahre Staatsvertrag und 80 Jahre Befreiung vom Nazi-Regime) ist die aktuelle Ausstellung „Kontrollierte Freiheit. Die Alliierten in Wien“. Diese offenbart, dass im Nachkriegs-Österreich die Alliierten kulturelle Aktivitäten aktiv vorantrieben, was Bunzl zufolge für die Bildung einer österreichischen Identität sehr förderlich war.
Ursula Zechner bat Matti Bunzl außerdem darum, etwas über seine Person zu erzählen und darüber, wie man eigentlich der Direktor eines so wichtigen Museums wird. Geboren 1971 in Wien, verspürte Bunzl in der Waldheim-Zeit der 80er Jahre das dringende Bedürfnis, ins Ausland zu gehen. Es wurde ihm sehr leicht gemacht, in den USA Fuß zu fassen: stetigerklomm er die amerikanische akademische Leiter, übernahm zahlreiche Professuren als Historiker und Ethnologe und nannte über 20 Jahre lang Chicago seine Heimat. Matti Bunzl betonte, dass zu seiner Zeit die USA wirklich noch das Land der unbegrenzten Möglichkeiten war – und macht aus seiner Enttäuschung über die derzeitige Administration keinen Hehl.
Nachdem sich Matti Bunzl einmal auf Heimaturlaub befand und kurzentschlossen seine Bewerbung für den Job des Direktors des Wien Museums einreichte, erfolgte 2015 seine Benennung zum künstlerisch-wissenschaftlichen Direktor. Nie hätte er gedacht, diesen Job zu bekommen, obwohl: es war und ist sein Traumjob! Immer wieder betont Bunzl, dass ohne sein unglaublich engagiertes, hoch professionelles Team dieser aktuelle Erfolg nicht möglich wäre.
Tatsächlich: vor der Schließung des alten Wien Museums kamen 130.000 Besucher*innen pro Jahr ins Haus, im ersten Jahr nach der Wiedereröffnung waren es 650.000! Im Moment pendelt sich die Besucher*innen-Zahl auf 12.000 pro Woche (!) ein, ein großartiger Erfolg!
Auf Zechners Frage, wie Bunzl das Museum als gesellschaftspolitischen Auftrag sieht, erzählt er, dass er beispielsweise damit aufgehört habe, Sakkos zu tragen. Er wolle nicht als Direktor auffallen, als etwas Besonderes gesehen werden, eher als Teil des Teams, als zugängliche Person. Das korreliert auch gut mit der Niederschwelligkeit, die Bunzl so wichtig ist; der kostenlose Eintritt zur Dauerausstellung ist ein wesentlicher Bestandteil dieser gesellschaftspolitischen Einstellung.
Inklusion und somit auch Barrierefreiheit werde laut Bunzl großgeschrieben, wodurch das Publikum viel diverser wurde. Auffällig und erfreulich sei außerdem, dass viel mehr junges Publikum als je zuvor ins Museum kommt, Schulklassen sowie Familien, das bisherige Publikum sich aber auch weiter wohl fühlt. Das kulinarische Angebot im Wien Museum rundet das Ganze zusätzlich ab.
Direktor Bunzl schloss sein Plädoyer mit einer interessanten Neuigkeit: Dank seiner Initiative ist der „Master of Arts in Museum Studies“ vor Kurzem gestartet worden, eine ganz besondere Kooperation zwischen der Central European University (CEU) und dem Wien Museum!
Ein feines Buffet in gemütlicher Atmosphäre bot danach die Gelegenheit, über diesen spannenden Einblick in die Wiener Kulturwelt weiter zu diskutieren.