Soziale Innovation – der erste Social Impact Bond in Österreich

Wie lässt sich die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen in Zeiten knapper Budgets erhöhen? Das Sozialministerium setzt mit dem Projekt „PERSPEKTIVE:ARBEIT“ den ersten österreichischen Social Impact Bond in Oberösterreich um.

Bei einem Social Impact Bond bilden öffentliche Hand, private InvestorInnen und SozialdienstleisterInnen eine Wirkungsgemeinschaft, die von einer Intermediärin/einem Intermediär gemanagt wird und einer unabhängigen, externen Evaluierung unterzogen wird.

Die Funktionsweise dieser Multistakeholder-Partnerschaft ist dabei folgende: Gemeinnützige oder philanthropische InvestorInnen – zumeist Stiftungen – finanzieren innovative Ansätze zur Lösung eines bestimmten gesellschaftlichen Problems. Grundlage dafür ist eine Vereinbarung mit der öffentlichen Hand, die die Rückführung der Investition bei Erreichen vorab festgelegter und objektiv messbarer Ziele vorsieht. Werden die Ziele nicht erreicht, erfolgt auch keine Rückzahlung. Spezialisierte Organisationen, wie zum Beispiel gemeinnützige Vereine, übernehmen die operative Umsetzung. Über die erfolgreiche Zielerreichung entscheidet eine unabhängige Erfolgs- und Rechnungsprüfung durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Die Intermediärin/der Intermediär ist für die Akquise der InvestorInnen verantwortlich und koordiniert, beauftragt und begleitet die operativ tätigen Organisationen.

Erfolgskriterien und Risken

Erfolgskritisch für die Umsetzung eines Social Impact Bonds ist die Definition der konkreten Problemstellung durch die öffentliche Hand: Zielgruppe und Leistungsinhalt müssen klar umrissen werden. Die erforderlichen Erfolgskennzahlen leiten sich unmittelbar aus den definierten Projektinhalten ab und können in absoluten Zahlen definiert werden. In der vorab angestellten Folgenabschätzung muss bei Erfolg des Projektes eine Ersparnis für die öffentliche Hand ersichtlich sein. Das heißt, die Kosten für die Durchführung des Projektes sind niedriger als die Aufwendungen, die für die öffentliche Hand für die Zielgruppe ohne Maßnahmen anfallen.

Im Mittelpunkt eines Social Impact Bonds steht demnach immer die Wirkungsorientierung: Es wird ausschließlich die tatsächliche Wirkung am Ende des Projektes betrachtet. Im Unterschied zu vergleichbaren Ansätzen in der öffentlichen Verwaltung fallen bei einem Social Impact Bond im Falle der Nichterreichung der erwünschten Wirkungen jedoch keine Kosten an – das Ausfallrisiko tragen zur Gänze die InvestorInnen.

Des Weiteren kann das Innovationspotential der operativen Organisationen voll ausgeschöpft werden, da die finanziellen Mittel ab dem ersten Tag zur Verfügung stehen und über die gesamte Projektlaufzeit gesichert sind. Sie können flexibel auf sich verändernde Umstände reagieren, neue Ansätze ausprobieren und Kooperationen eingehen. Dieser Wirkungsfokus ermöglicht es, jene Aktivitäten zu setzen, die die Problemlage der Zielgruppe langfristig lösen.

Fokus: Wirkungsorientierung

Ein Social Impact Bond verbindet somit erfolgreich die Wirksamkeit innovativer, sozialer Dienstleistungen mit Einsparungen für die öffentliche Hand. Gleichzeitig werden die Durchführungskosten zunächst an externe InvestorInnen ausgelagert, was ressourcenintensivere Maßnahmen für besonders gefährdete Personengruppen erlaubt. Intensive Ansätze können zwar kurzfristig teurer sein, erzielen jedoch oft höhere und nachhaltige Wirkung, was wiederum zur Reduzierung von Folgekosten beiträgt. Damit wird nicht nur ein messbarer Mehrwert für die Zielgruppe geschaffen, sondern im Erfolgsfall auch eine ebenso messbare Einsparung für die öffentliche Hand erzielt. Genau dieser positive Gesamtkostenvergleich ist die Basis eines Social Impact Bonds.

Die Auswahl der Zielgruppe ist demnach ein wesentlicher Punkt, bei dem folgendes zu beachten ist: Ein Social Impact Bond eignet sich zum einen, um hoch prekäre Personengruppen, die oftmals von mehreren Problemlagen betroffen sind, anzusprechen. Es geht darum, die Lebenssituation der angesprochenen Personengruppe nachhaltig zu verbessern. Zum anderen muss die Zielgruppe klar definiert und deutlich eingegrenzt werden, um zielgerichtete Maßnahmen setzen zu können und langfristig Wirkungen erzielen zu können.

Aktive Social Impact Bonds in anderen Ländern (zumeist in Großbritannien und den USA) beschäftigen sich mit gefährdeten Kindern oder Familien, NEETs (Jugendliche, die weder in Ausbildung noch in Beschäftigung sind – Not in Education, Employment or Training) und straffällig gewordenen Personen. Das Sozialministerium hat sich in der Entwicklung des ersten österreichischen Social Impact Bonds für die Zielgruppe der von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen entschieden.

Perspektive:Arbeit – Ökonomisches und Soziales Empowerment von gewaltbetroffenen Frauen

Gewaltbetroffene Frauen sind in ihrem beruflichen und sozialen Leben benachteiligt, finanziell zumeist von ihrem Partner abhängig. Die wirtschaftliche und soziale Abhängigkeit und Ausgrenzung erschwert Frauen und mit-betroffenen Kindern den dauerhaften Ausstieg aus gewaltbehafteten Beziehungen und Strukturen. Frauenschutzorganisationen sehen hier eine stetige Verschärfung der Situation für immer mehr Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind. Der berufliche (Wieder-)Einstieg gestaltet sich schwierig, dies gilt insbesondere für Frauen, die Schutz und Beratung in Frauenhäusern suchen. Wenig bis keine Erfahrung am Arbeitsmarkt, niedrige Bildungsabschlüsse und fehlende Qualifikation, Traumatisierung, soziale Ausgrenzung, psychische und physische Instabilität und fehlende Betreuungs- und Fördermöglichkeiten für mit-betroffene Kinder erschweren den Zugang zu existenzsichernder Beschäftigung und verunmöglichen in vielen Fällen eine Teilnahme an „klassischen“ (Wieder-)Eingliederungsmaßnahmen in den Arbeitsmarkt. Das Erleben von Gewalt führt auch zu höherer Ausgrenzungs- und Armutsgefährdung, NEET-Gefährdung und Gewaltneigung bei Kindern und Jugendlichen – der Kreislauf der Gewalt setzt sich in der nächsten Generation fort.

Der Social Impact Bond bietet dieser besonders gefährdeten Personengruppe Unterstützung und – wie der Name des Projekts sagt – eine Perspektive: Das Pilotprojekt des Sozialministeriums hat sich zum Ziel gesetzt, mindestens 75 gewaltbetroffene Frauen innerhalb der dreijährigen Projektlaufzeit in eine existenzsichernde Beschäftigung zu vermitteln und für zumindest ein Jahr in dieser zu halten. Der Impact ist aufgrund der extrem vulnerablen Personengruppe ein hoher: Gewalt gegen Frauen hat enorme volkswirtschaftliche Konsequenzen – die Kosten von Gewalt gegen Frauen werden auf rd. 80 Mio Euro pro Jahr geschätzt und fallen u.A. im Bereich der Sozialhilfeleistungen, der Gesundheitsleistungen, durch den Ausfall von Erwerbsarbeit und in der Kinder- und Jugendhilfe an. Tatsache ist, dass fast 30 Prozent der Frauen in den Frauenhäusern kein eigenes Einkommen haben und dieser Anteil jährlich steigt. Ein weiteres Fünftel lebt von Notstandshilfe, Arbeitslosengeld oder bezieht dauerhaft Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung. Maßnahmen, die hier greifen, können demnach Wirkungen auf vielen Ebenen entfalten und durch die Berücksichtigung der mit-betroffenen Kinder und Jugendlichen auch Präventionscharakter entwickeln.

Die Wirkungsgemeinschaft des österreichischen Social Impact Bonds ist eine sehr breit angelegte und umfasst neben dem Sozialministerium, dem Land Oberösterreich und dem BMBF aufseiten der öffentlichen Verwaltung auch eine enge Kooperation mit dem AMS Oberösterreich. Die operativen Projektpartnerinnen – das Frauenhaus Linz und das Gewaltschutzzentrum Oberösterreich – bringen große Expertise in der Stabilisierung und Unterstützung von gewaltbetroffenen Frauen mit, und auch die Intermediärin Juvat gemeinnützige Gesellschaft mbH, die den Social Impact Bond des Bayerischen Sozialministeriums begleitet, ist eine erfahrene Partnerin. Österreichische Stiftungen und Organisationen stellen die notwendigen Mittel zur Verfügung, die Zielerreichung wird durch einen objektiven, unabhängigen Wirtschaftsprüfer festgestellt.

projektstruktursocialimpactbond

Das Sozialministerium hat sich darüber hinaus dazu entschieden, den Piloten einer wissenschaftlichen Maßnahmen- und Prozessevaluierung zu unterziehen, um die Wirkungen des Instruments auf einen erweiterten Stakeholderkreis zu messen und die Wirkungsweise und -richtung der Maßnahmen abzubilden. Damit werden Korrekturen bereits während der Projektlaufzeit ermöglicht und die Maßnahmen werden gleichzeitig auf Skalierbarkeit überprüft.

In der Betreuungs- und Vermittlungstätigkeit stellt „PERSPEKTIVE:ARBEIT“ eine sinnvolle, bedarfsgerechte Ergänzung der bestehenden Beratungs- und Betreuungseinrichtungen dar und baut ein flächendeckendes Angebot zur beruflichen Qualifikation und Integration speziell für diese Zielgruppe auf. Gezielte Kooperation mit den Unternehmen und deren Beratung und Begleitung soll zur Aufnahme von Betroffenen in ein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis führen und die Sensibilität für das Thema Gewalt gegen Frauen auch in der Wirtschaft erhöhen.

Ist das dreijährige Projekt erfolgreich, kommt es Ende 2018 nach Abschluss der Erfolgs- und Rechnungsprüfung zur Rückzahlung der Investition, inklusive einer geringen, einmaligen Verzinsung von drei Prozent, die – über die Projektlaufzeit gerechnet – unter der Inflationsrate liegt.

Erfolgskriterium: Zusammenarbeit

Als Allheilmittel für knappe Budgets oder als Ersatz für das Sozialstaatsmodell darf ein Social Impact Bond dennoch nicht verstanden werden. Ein Social Impact Bond ist keine alternative Finanzierungsform für klassische Instrumente der Sozialpolitik. Die österreichischen Sozialschutzsysteme erfüllen eine fundamentale gesellschaftliche Funktion – sie sichern u.a. gegen Risiken wie Invalidität, Krankheit, Alter oder Arbeitslosigkeit ab, und diese Leistungen unterstützen alle Menschen, wenn aus eigener Kraft der Lebensunterhalt nicht (mehr) bestritten werden kann. Innovative Instrumente und die Einbindung zivilgesellschaftlicher und privater Akteurinnen und Akteure können aber sinnvolle Ergänzungen für hochgefährdete Zielgruppen schaffen und dabei helfen, Lücken in der Betreuung und Unterstützung zu schließen. Zudem können über solche Wirkungsgemeinschaften die Potentiale der unterschiedlichen Stakeholder zur Erhöhung der Wirkung optimal zur Geltung gebracht werden. Die intensive Zusammenarbeit im Rahmen eines Social Impact Bonds und ein gemeinsames Ziel, zu dem sich alle AkteruInnen bekennen, sind dabei wesentliche Erfolgsfaktoren. Wirtschaftliche AkteurInnen fördern innovative, erfolgsorientierte Ansätze und langfristige finanzielle Strategien, die ExpertInnen der zivilgesellschaftlichen Organisationen bringen Wissen in der Arbeit mit der Zielgruppe mit und die öffentliche Hand bettet die entwickelten Strategien und Projekte in eine gesamtgesellschaftliche Zielsetzung ein. Das Interesse am Erfolg ist bei allen AkteurInnen ein großes – alle ziehen an einem Strang: Erste positive Effekte zeigen sich schon jetzt im österreichischen Social Impact Bond.