In Österreich arbeiten rund 780.000 Menschen im öffentlichen Sektor. Doch wie viele andere Dienstgeber hat auch der öffentliche Dienst mit dem drohenden Fachkräftemangel zu kämpfen. Pensionierungswellen, Inflation, Konkurrenz aus der Privatwirtschaft, um nur einige Faktoren zu nennen, sind verantwortlich dafür, dass es immer schwieriger wird,qualifizierte Mitarbeiter*innen für den öffentlichen Dienst zu gewinnen.
Aber wie kann man das ändern? Was gibt es für Ideen und Projekte? Und wie soll Arbeit im öffentlichen Sektor zukünftig aussehen? Das waren die Fragen, die beim letzten FiV Themenforum am 20.9.2023 in der Wohnung Boskovits von Adolf Loos der Wiener Bibliothek behandelt wurden.
FIV-Vizepräsident Klaus Hartmann führte durch den spannenden Abend. Er begrüßte die Gäste in diesen historischen Räumlichkeiten und ersuchte die Vortragenden um ihre Leitimpulse zum Thema „Neugestaltung der Arbeitswelt“.
Den Anfang machte Roland Weinert, Sektionsleiter im Arbeits- und Wirtschaftsministerium. Er betonte gleich zu Beginn die Vielfalt des öffentlichen Sektors als große Stärke, jedoch hat man sich gerade vielen Herausforderungen zu stellen. In seiner Sektion herrscht Einigkeit, dass man den öffentlichen Dienst gerade durch ein verändertes Recruiting attraktiveren kann; ein Prozess, der viel Energie und Aufwand benötigt. Um das Recruiting möglichst effizient zu gestalten,veränderte man die Social Media Strategie und setzt nunspeziell auf LinkedIn, um so junge, qualifizierte Arbeitskräfte anzuwerben.
Die jungen Leute – die sogenannte „Generation Z“ -, die gerade frisch auf den Arbeitsmarkt kommt, hat jedoch oft neueVorstellungen von Arbeit, erzählt Weinert weiter, ganz besonders im Bezug auf die Work-Life-Balance. So müsseman an neuen Arbeitskonzepten arbeiten. Homeoffice und hybrides Arbeiten seien attraktiver denn je. Weiter könne man bei der „Gen Z“ damit punkten, dass Jobs im öffentlichen Dienst keine sogenannten „Bullshit-Jobs“ sind. Die Arbeit im öffentlichen Dienst sei extrem sinnstiftend, was junge Arbeitskräfte anziehen würde. Weiter hat man im Wirtschaftsministerium herausgefunden, dass Arbeitseinsteiger*innen gerade die Stabilität, die der Sektor bietet, attraktiv finden. Es ist jedoch wiederum schwerer, bei ihnen Bindungskraft zum Arbeitgeber aufzubauen, was Weinert als Herausforderung sieht.
Ein wichtiger Punkt sei das Wissensmanagement innerhalb einer Behörde. Denn gerade in Zeiten von künstlicher Intelligenz und ständiger technologischen Weiterentwicklungmüsse man das bereits vorhandene Wissen in einem Unternehmen richtig verwalten.
Dem stimmte auch Phillipp Kaiser-Hiebinger, Programmleiter des Transformationsprojekts „FitForFuture“ der Finanzmarktaufsicht, zu. Er erzählte, wie man bei der Finanzarbeit mittlerweile verstärkt auf Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Ressorts setzt und so spannende neue Ergebnisse erzielen konnte. Aber auch andere Arbeitskonzepte werden herangezogen. Ebenfalls spielt bei der Finanzmarktaufsicht das Thema Homeoffice eine immer wichtigere Rolle. Laut Kaiser-Hiebinger ist das Homeoffice für viele Bewerber*innen sogar ausschlaggebend, den Job letztendlich anzunehmen. Bei „FitForFuture“ spielt aber auch die Digitalisierung eine wichtige Rolle, ebenso wie flexiblere Arbeitsteams und die Zusammenarbeit verschiedener Teilbereiche. Bei so vielen Veränderung ist es alsMitarbeiter*in leicht, den Überblick zu verlieren und eine gewisse Skepsis zu entwickeln. Voraussetzung bei Arbeitstransformationsprozessen sei das Vertrauen der Mitarbeiter*innen, aber auch der Führungskräfte, so Kaiser-Hiebinger. Deswegen holte man sich bei „FitForFuture“immer wieder Input der Führungskräfte und setzt auf Feedback der Mitarbeiter*innen.
Isabella Gady, Chief Experience Officer von Wonderwerk, hält Menschen für die wichtigste Ressource des öffentlichen Sektors. Eine der wichtigsten Fragen, die sie sich stellt, ist wie man diese Ressource einsetzt, sie halten und stärken kann. Auch für Gady sind Pensionierungswellen und der Wettbewerb mit der Privatwirtschaft die zentralen Aspekte, wieso es der öffentliche Sektor gerade besonders schwer hat.Umso wichtiger sei es, den besonderen Stellenwert des öffentlichen Sektors zu kommunizieren, ist er es doch, der ganz entscheidend ist, ob unser System funktioniert oder nicht.Gady erklärte, dass Themen und Projekte nicht immer von Oben kommen dürfen, dass Leute mit Leidenschaft, egal wo in der Hierarchie diese auch stehen mögen, nicht untergehen dürfen. Neue Arbeitsformen, agile Arbeitsteams und Reverse-Mentoring sind alles Ideen, die die Arbeit im öffentlichen Sektor beliebter machen können und auch junge Menschen anlocken.
Auch das Thema Generationenkonflikt sprach Gady an. So sei ein Generationenmanagement essenziell, damit für Mitarbeiter*innen jeden Alters ein produktives Arbeitsumfeld entsteht. Es braucht Fortbildungen für die Jungen, um ihre Aufstiegschancen zu vergrößern, sowie für die Älteren, damit diese ihre technische Kompetenzen weiterentwickeln. Sie betont, dass die Werteeinstellung der Generationen gar nicht weit auseinander liegt, nur die Auslegung anders aussieht. Korrekte Kommunikation sei also sehr wichtig, um drohende Konflikte vorzubeugen.
Im Anschluss an die Impulse wurde noch angeregt weiter diskutiert. Dabei ging es um die Rolle der Politik, aber auch darum, wie wichtig ein physischer Arbeitsplatz eigentlich ist. Nach der Diskussion fand der Abend bei Speisen und Getränken seinen Ausklang, umgeben von roten Tapetenwänden und Adolf Loos‘ Raumausstattung.
von Lona Weis