Das Palais Eskeles in der Dorotheergasse 11in der Wiener Innenstadt beherbergt seit 1992 das Jüdische Museum Wien. Am 28.2.2024 öffnete es auch für das FIV seine Türen. Im Gespräch mit Vizepräsident Klaus Hartmann erzählte Museumsdirektorin Barbara Staudinger von der langen Geschichte des Museums, aber auch von gegenwärtigen Projekten und Aufgaben.
Barbara Staudinger, seit 2022 Direktorin des Museums, macht zu Beginn deutlich, dass das erste jüdische Museum in Wien bereits 1895 gegründet wurde, nämlich von einem Verein bestehend aus einer Gruppe jüdischer Bürger*innen. Es handelte sich bei diesen Menschen um Leute, die etwas bewegen wollten. Ziel dieses Museums war es vor allem, Nicht-Jüd*innen anzusprechen, um Vorurteile abzubauen und jüdische Kultur als etwas Normales, zu Österreich Gehörendes, darzustellen.
Lange konnte dieses Museum nicht bestehen, denn nachdem Österreich für den Anschluss stimmte, wurde das Museum 1938 von den Nazis geschlossen und seine Sammlung unter nationalsozialistische Propagandamuseen aufgeteilt. In den 1950er Jahren konnten Teile der Sammlung restituiert werden, weitere Teile erst in den 1990ern. Diese Zeit öffnete auch die Türen für ein neues Jüdisches Museum. Unter Bürgermeister Helmut Zilk wurde das Jüdische Museum der Stadt Wien GmbH ins Leben gerufen und 1992 konnte das Jüdische Museum Wien, wie wir es heute kennen, eröffnen.
Barbara Staudinger betont im Gespräch mit Vizepräsiden Klaus Hartmann, dass Aufgaben, wie das Abbauen von Vorurteilen noch immer eine große Rolle für das Jüdische Museum Wien spielen. Wichtig sei aber auch das Zeigen „einer untergegangen Kultur“. Man versuche zu zeigen, was heute nicht mehr da ist. Man richte sich noch immer an Nicht-Jüdisches Publikum, jedoch hat sich viel geändert: Jüdische Communities, so Staudinger, seien wieder größer geworden. Nicht nur das, sie sind auch selbstbewusster geworden und mehr Teil des öffentlichen Lebens. Somit sei es auch eine Aufgabe jüdischer Museen, die Gegenwart zu erzählen und jüdische Vielfalt sichtbar zu machen.
Auf die Frage, wie es mit der Besucher*innenstruktur aussehe, antwortet die Museumsdirektorin, dass abgesehen von Tourist*innen viele Schulklassen das Museum besuchen würden. Es gäbe aber einen großen Spalt, wenn es um das Alter der Besuchenden geht; so würden Menschen zwischen 20 und 40 Jahren kaum ins Jüdische Museum gehen. Generell habe das Museum aber anders als die meisten Museen nicht nur eine Bildungshürde zu überwinden, um Besucher*innen anzulocken, sondern zusätzlich eine zweite, „eine jüdische Hürde“. Denn das Vorurteil eines „Shoah Museums“ sei weit verbreitet, was viele Menschen abzuschrecken scheint. Jedoch sei das Jüdische Museum kein solches Museum. Es stellt jüdische Kultur und Kunst aus. beschäftigt sich somit mit Fragen, wie man dem Jüdischsein begegnen kann. Es geht um Erinnerungskultur, die Nähe zum Jüdischsein sucht, es geht darum, Vorurteile zu hinterfragen.
Angesichts der aktuellen politischen Ereignisse wurde auch der 7. Oktober 2023 thematisiert. Barbara Staudinger erinnert sich gut an diesen Tag. An diesem Tag fand in Wien die Lange Nacht der Museen statt und als die Nachrichten des Anschlags bekannt wurden, war das Museum offen und voller Leute. Staudinger erzählt von der großen Welle an Solidaritätsbekundungen zu Beginn des Krieges. Dies habe sich mittlerweile geändert. Alles, was jüdisch sei, werde gleich mit Krieg in Verbindung gebracht, so die Museumsdirektorin. Dies merke man auch an den Besucher*innenzahlen. Man hoffe aber darauf, dass die Menschen bald wiederkommen, um sich die vielen Ausstellungen anzusehen, die gerade noch in Planung sind.
Nach einer kurzen Fragerunde in dem vollen Atrium wurde imFoyer des Museums weiter über die Ausstellung „Who cares – Jüdische Antworten auf Leid und Not“ und das anregende Gespräch mit der Direktorin diskutiert und der Abend fand bei Speisen und Getränken ein Ende.
von Lona Weis